Fäden sind Magie, Sprache, Grammatik, Symbolik und Botschaft
Eröffnung und Buchvernissage:
Samstag, 16. März, 16.00 Uhr
Kuratiert von Cyril Kazis,
Thessy Schoenholzer Nichols
und Bernhard Duss
Ausstellung
16. bis 23. März 2024
Do-So 13.00 bis 18.00
Und Besuch nach Vereinbarung
Verflochten, verdreht, verzwirnt, verknüpft und verbunden, Fäden sind Magie, Sprache, Grammatik, Symbolik und Botschaft, sie sind aber auch geheimnisvoll verschlüsselt in unscheinbaren und komplexen Zahlen, in Rhythmen und geometrischen Darstellungen von Farben und Materialien. Der Faden und alles, was mit ihm verbunden ist, prägt unser Leben seit Jahrtausenden und wird es noch Jahrtausende tun.
Noemi Speiser (97) ist die absolute Koryphäe und "Grande Dame" der Analyse textiler Techniken, die seit Menschengedenken erfunden und weiterentwickelt wurden. Sie ist eine Zeitzeugin und Wissenschaftlerin, die ihr Leben unermüdlich der Erforschung des textilen Schaffensprozesses, des Materials, der Hände, des Wissens und der Kreativität gewidmet hat. Sie scheute sich nicht, auf unkonventionelle Mittel zurückzugreifen, wie z.B. das Zerlegen vorhandener Flechten, um das Wesen dieser Technik zu verstehen. Dies ermöglichte ihr den Durchbruch mit "Track Plans’ (Spurenpläne), wie sie beim industriellen Flechten verwendet werden, um den komplizierten Weg jedes Fadens in jedem Zopf zu erklären. Auf ihre Weise kann man sie als Entdeckerin und Entfalterin bestimmter textiler Techniken bezeichnen, die in den 1960/70er Jahren, als sie sich auf die Suche nach den verborgenen Geheimnissen des Flechtens machte, nur wenigen oder gar niemand bekannt waren.
Ihre Arbeit wird nun erstmals in einer umfassenden Ausstellung mit Fotos, Dokumenten, originalen Analyse Zeichnungen und originalen Forschungsobjekten gewürdigt. Forschungsobjekte, die als Kunstwerke zu verstehen sind, entstanden aus Forschung, Spurensuche und Geist. Anlässlich dieser Ausstellung wird ihr soeben im Haupt Verlag erschienenes Lebenswerk "An Annotated Classification of Textile Techniques" der Öffentlichkeit vorgestellt.
In ihrem Buch wird die gesamte textile Welt in drei Kategorien und zahlreiche Untergruppen unterteilt. Diese Einteilung ermöglicht es, jede textile Technik oder Struktur besser einzuordnen, zu verstehen und zu klassifizieren. Sie richtet sich in erster Linie an den Spezialisten, kann aber auch für den Nicht-Experten in ihrer Entwicklung und Betrachtung interessant sein, da ihre Methode auf viele Bereiche der Wissenschaft und Kunst angewendet werden kann.
Die zahlreichen Zeichnungen, die sie anfertigte, sind nicht als Anleitungen gedacht, sondern sollen das Verständnis für das riesige Gebiet der Textiltechnik erleichtern. Unter ihren zahlreichen Veröffentlichungen ist ihr monumentales Werk ‘Manual of Braiding’ hervorzuheben, das sie in den 1980er Jahren selbst herausgegeben hat und das heute in jeder bedeutenden Bibliothek zu finden ist. Auch dieses Buch wurde vom Haupt Verlag neu aufgelegt.
Bio
Noémi Speiser wurde am 11. August 1926 in Surbiton Surrey, Grossbritannien, geboren. Im Jahr 1932 kam sie in die Schweiz, wo sie ihre Bildung in Ennetbaden Baden und Aarau absolvierte. Später besuchte sie den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule Zürich und begann eine Lehre als Handweberin im Heimatwerk Brugg, Aargau, die sie jedoch krankheitsbedingt abbrechen musste. Stattdessen studierte sie Textilgestaltung an der Kunstgewerbeschule Basel. Nach dem Studium unterrichtete sie viele Jahre Stickerei und seit den 1970er Jahren ‘Oblique Interlacing’(Flechten) in der Textilklasse der Kunstgewerbeschule Basel. Seit dieser Zeit widmete sie sich der Erforschung textiler Techniken, reiste durch Europa und mehrmals nach Japan und stand in engem Kontakt mit anderen Textilforschern und Textilhistorikern in aller Welt. Sie hat das Studium des Flechtens, auch als Off-Loom-Technik bekannt, gefördert und ist die Autorin des weltweit bekannten ‚Manual of Braiding‘ und etlichen anderen Publikationen, sowie ihr soeben im Haupt Verlag erschienene Lebenswerk "An Annotated Classification of Textile Techniques".